In diesem Beitrag erläutere ich einen Ablauf für ein 360 Grad Feedback, mit dem Sie einen wirkungsvollen Impuls zur Entwicklung von Führung im Unternehmen gewinnen. Folgende Schritte sind dabei essenziell:
(Teil 2 des Blogbeitrags zum 360 Grad Feedback – Hier geht’s zum ersten Teil)
- Auftragsklärung mit HR und Geschäftsführung
- Auftragsklärung für Feedbacknehmer
- Information an Mitarbeitende
- Bearbeitung der Feedback-Fragebögen, Auswertung im Hintergrund
- Coaching-Gespräch mit Feedbacknehmer
- Klärungsgespräch Coach mit Mitarbeitenden
- Moderiertes Feedbackgespräch Mitarbeitende – Führungskraft
- Moderiertes Gespräch Führungskraft – Vorgesetzte
- (abschließendes) Coachinggespräch mit Feedbacknehmer
Der Ablauf des 360 Grad Feedback: Die Schritte
Ich schlage für das 360 Grad Feedback einen Ablauf in neun Schritten vor. So stellen Sie sicher, dass alle beteiligten Parteien im Boot sind und niemand sich in diesem Prozess allein gelassen fühlt.
Auftragsklärung mit Geschäftsführung
In der Auftragsklärung mit HR und der Geschäftsführung gilt es herauszufinden, wie das Unternehmen das 360 Grad Feedback nutzen will. Dient das Instrument der Bewertung von Führungskräften oder als Impuls zur Weiterentwicklung der Führungskultur im Unternehmen?
Damit stellt sich auch die Frage, wer in diesem Projekt Feedback bekommen soll. Nutzt das Top-Management diese Rückmeldung auch für sich selbst oder setzt man dieses Instrument nur für die niedrigeren Führungsebenen ein? Wenn das Unternehmen Feedback nutzen will, um eine offenere Führungskultur zu stärken, dann ist es ausgesprochen hilfreich, wenn das Top-Management in dieser Übung vorangeht.
Zur Auftragsklärung gehören auch die Festlegungen zur Vertraulichkeit: Bleiben die ausgefüllten Fragebögen vertraulich oder wird offengelegt, wer welche Rückmeldung gegeben hat? Gehört die Auswertung dem Feedbacknehmer oder verfügt das Unternehmen über dieses persönliche Wissen über ihre Führungskräfte?
Ich empfehle in dieser Hinsicht unbedingte Vertraulichkeit: Eine externe Person erhält die Fragebögen und die Auswertungen und bespricht diese Ergebnisse vertraulich mit den betreffenden Personen. Feedbacknehmer entscheiden, wann und wie sie welche dieser Informationen teilen. Und dabei erhalten sie professionelle Begleitung.
Schließlich gehört es zur Auftragsklärung, den Ablauf für das 360 Grad Feedback im Unternehmen zu vereinbaren.
Bereitschaftsklärung der Feedbacknehmer
Die Auftragsklärung zwischen dem begleitenden Coach und den einzelnen Feedbacknehmern soll die Bereitschaft klären, das erhaltene Feedback auch anzunehmen. Und bereits Erwartungen an die eigene Entwicklung zu formulieren, die das Feedback unterstützen soll.
Information an die Mitarbeitenden
Alle Mitarbeitenden, deren Führungskräfte ein 360 Grad Feedback erhalten, werden darüber informiert, erstens dass die Führungskraft um Rückmeldung bittet, und zweitens wie dies geschehen soll. Nicht jeder Mitarbeitende wird einen Feedbackbogen ausfüllen, vielmehr werden nach dem Zufallsprinzip einzelne Personen ausgewählt, die dies stellvertretend für alle tun. Das anschließende Feedbackgespräch steht aber prinzipiell allen Mitarbeitenden einer Führungskraft offen, hier kann sich jede Person mit eigenen Erwartungen und Beiträgen einbringen.
Bearbeitung der Feedbackbögen
Die Bearbeitung des Feedbackbogens braucht ungefähr 20 bis 25 Minuten. Für den Fragebogen verwendet man eine online-Version der Universität Bochum. Die Auswertung erfolgt im Hintergrund. Und am nächsten Tag stehen die Auswertungen der Feedbacks bereit.
Coaching-Gespräch mit Feedbacknehmer
Ausschließlich der oder die jeweilige Feedbacknehmer(in) sieht ihre Auswertungen. Ein Coach erläutert die Rückmeldungen und thematisiert vor allem die Abweichungen zwischen Selbstbild und Fremdbild über das Führungsverhalten. Das Gespräch wird erfahrungsgemäß Fragen zu einzelnen Aspekten der Rückmeldung aufwerfen, die der Coach anschließend mit den Feedbackgebern zu klären versucht.
Klärungsgespräch des Coachs mit Mitarbeitenden
Nun folgt ein Gespräch zwischen dem Coach und den Mitarbeitenden des Feedbacknehmers. Hier geht es darum, die aufgeworfenen Fragen zu Auffälligkeiten oder scheinbaren Unstimmigkeiten in den Antworten zu klären. Hier ist es wichtig, dass der Feedbacknehmer nicht dabei ist, weil sich seine Mitarbeitenden sonst zu sehr bedeckt halten könnten.
Anschließend sammeln die Mitarbeitenden ihre Erwartungen und Wünsche, wie sich das Führungsverhältnis entwickeln soll. Was soll so bleiben, was soll sich ändern? Welchen Beitrag bin ich selbst bereit, dafür zu leisten? Diese Entwicklungswünsche werden anonym auf einer Pinwand gesammelt.
Moderiertes Feedbackgespräch zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden
Nun ist es Zeit für das eigentliche Feedbackgespräch der Führungskraft mit ihren Mitarbeitenden! Die zurückgemeldeten „Werte“ der verschiedenen Skalen sind hier nicht mehr im Mittelpunkt, sondern dienen eher als Starthilfe für das Gespräch. In erster Linie geht es um die Entwicklungswünsche aus der Mitarbeiterschaft und ihre Bereitschaft, an dieser Entwicklung mitzuarbeiten. Die Führungskraft muss nicht zu allen Punkten ihre Bewertung oder Rückmeldung geben – sie nimmt die Impulse für die eigene Entwicklung mit. Der Coach moderiert dieses Feedbackgespräch, damit zielorientiert gearbeitet wird und nicht eventuell Emotionen die Oberhand gewinnen.
Feedbackgespräch zwischen Führungskraft und Vorgesetztem
Im anschließenden moderierten Gespräch zwischen der Führungskraft und ihrer eigenen vorgesetzten Führungskraft stehen die Rückmeldungen der Mitarbeitenden im Mittelpunkt. Die vorgesetzte Person sieht in diesem Gespräch den Unterschied zwischen der eigenen Sicht auf die Führungskraft und der Sicht der Mitarbeitenden bzw. der Führungskraft selbst. Diese Unterschiede sind der Impuls, die Zusammenarbeit zwischen den beiden Führungsebenen zu entwickeln! Es geht also weniger darum, was die betreffende Führungskraft für sich ändern soll (welche Kompetenzen soll sie ausbauen, welche Gewohnheiten ablegen etc.). Sondern die gemeinsame Führungsaufgabe und die Zusammenarbeit sind der Kern dieses Gesprächs.
Abschluss: Reflektion der erhaltenen Feedbacks
In einem abschließenden Coachinggespräch reflektiert die Führungskraft alle erhaltenden Rückmeldungen, Ideen und Impulse und formuliert die nächsten Fortschritte für das eigene Führungsverhalten. Wahrscheinlich wird sie dabei Entwicklungswünsche formulieren, die anspruchsvolle Änderungen im eigenen Verhalten und Unterstützung von Dritten erfordern. Daher kann es sinnvoll sein, den angefangenen Prozess mit weiteren Coachingangeboten zu unterstützen.
Führung entwickeln mit 360 Grad Feedback
Der hier vorgestellte Ablauf für ein 360 Grad Feedback dient dazu, dieses Instrument für die Entwicklung der Führungskultur zu nutzen. Für eine Bewertung von Führungskräften im Rahmen eines Assessment ist dieser Ablauf nicht geeignet. Wenn das Feedbackinstrument für die Führungskräfte-Auswahl eingesetzt werden soll, dann kann man dabei nicht die notwendige Vertraulichkeit der Rückmeldungen einhalten. Dann muss die HR-Abteilung und/oder die Vorgesetzten die erhaltenen Rückmeldungen einsehen. Das verhindert die notwendige Vertrauensbasis, um Feedback für die Entwicklung der Führungskultur zu nutzen. Es besteht dann die Gefahr, dass wir das eigentlich hilfreiche Instrument entwerten.
Führung soll die Leistung des Teams steigern, die Kunden in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken und die Mitarbeitenden an das Unternehmen binden. Eine Investition in gute Führung zahlt sich aus in besseren Zahlen der Produktivität, in mehr Kundenzufriedenheit und Mitarbeiterbindung.
Feedback ist ein erfolgversprechender Weg, die Führungskultur im Unternehmen zu entwickeln. Kultur kann man nicht direkt beeinflussen, aber gelebte Kommunikation wirkt nachhaltig auf die Unternehmenskultur. Der hier vorgestellte Ablauf im 360 Grad-Feedback mag auf den ersten Blick umfangreich und aufwendig erscheinen – die Ergebnisse sprechen aber für sich. Unternehmen, die ihre Führung und ihre Führungskräfte mit der 360 Grad-Feedback-Methode entwickeln, sind nach meiner Beobachtung alles sehr erfolgreiche Unternehmen!
Falls Sie Teil 1 verpasst haben: Hier können Sie nachlesen, warum das 360 Grad-Feedback in der Führungsentwicklung so wichtig ist.
Wenn Sie mehr zum Feedbackfragebogen wissen möchten, finden Sie auf der Website der Uni Bochum mehr Details.