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Digitalisierung erfordert Mut, sich von vorgefertigten Standardprozessen der Software-Anbieter zu lösen. Und das, ohne die Systeme mit Individualentwicklung zu verbiegen. In diesem Beitrag geht es um mutige prozessgesteuerte Digitalisierung.

Geht Ihnen das auch so? Beim Prozess-Design rufen alle nach einem „Soll-Prozess.“ Daraufhin entwirft man einen schlanken digitalen Prozess rund um Kundenerwartungen und Kundenerleben.

Und was passiert dann? Die Leute verlieren den Mut und suchen nach Prozesslösungen, die sich mit den vorhandenen IT-Systemen realisieren lassen. Am Ende gibt dann eine Software-Anwendung einen Standardprozess vor, und der muss in der Organisation umgesetzt werden. Die ursprünglichen Ziele wie

  • Nutzerzentrierung
  • Transparenz
  • medienbruchfreier Fluss
  • oder einfache Bedienung

kommen in eine Schublade für „Idealprozesse“.

„Idealprozess“ meint aber nichts Anderes als: „wäre schön, können wir aber sowieso nicht umsetzen.“

„Standardprozesse“ heißt: Digitalisierung wollen, sich aber nicht trauen

In meinen Beratungsprojekten beobachte ich immer wieder, wie Unternehmen nach einem mutigen Design zukunftsfähiger digitaler Prozesse doch auf vorgefertigte Prozesse in scheinbaren Standardlösungen zurückgreifen. Da möchte ich manchmal genau wie im Song von Tic Tac Toe schreien „Warum? Und warum?“

Im Arbeitsalltag bleibt dann alles beim alten: Die Benutzer arbeiten weiter in umständlichen Dialogen. Neue Mitarbeiter brauchen ewig, um sich einzuarbeiten. Daten werden mehrfach zwischen Systemen hin- und her übertragen.

Natürlich tauchen irgendwann – meist früher als später – Anforderungen des Unternehmens auf, die in diesen Standardprozessen nicht berücksichtigt sind. Also gibt es auch immer wieder Individualanpassungen für Softwaresysteme, obwohl man sich eigentlich geschworen hat, „ganz nah am Standard“ zu bleiben. Aus der Erfahrung vieler Projekte weiß ich, dass der Schwur „Stick to the Standard“ immer mit gekreuzten Fingern geschworen wird.

Häufige Falle: Digitalisierungsprojekt macht Unternehmen zur Melkkuh

Diese unvermeidlichen Anpassungen sind das Tor zur Softwarehölle. Denn wer Standardsoftware anpasst, reißt ein Loch ohne Boden auf. Der geplante Entwicklungsaufwand für Anpassungen und Schnittstellen wird regelmäßig gerissen. Mit jeder weiteren Anpassung begibt man sich in neue Abhängigkeiten, weil neue Entwickler sich nicht in die individuelle Programmierung ihrer Kollegen hineindenken können oder wollen. Also beauftragt man immer wieder die gleichen Projektdienstleister, und das Projekt wird zur Melkkuh für Software-Unternehmen.

Bei allen folgenden Updates und Änderungen der Software klingelt dann noch einmal die Kasse der Softwarehäuser, weil alle Abweichungen vom Standard gesondert bearbeitet werden wollen. So baut sich ein Berg an technischen Schulden auf. Die Zinsen für diese Schulden bestehen im Aufwand, die wuchernde Landschaft von Schnittstellen und Anpassungen zu pflegen. Und diese Zinsen steigen und steigen.

Aber warum unterschreiben Unternehmen immer wieder diesen technischen Schuldschein? Die Alternative einer prozessgesteuerten Digitalisierung ist ja längst bekannt.

Digitalisierung erfordert Mut statt Halbherzigkeit

Digitalisierung erfordert Mut. Standardsysteme mit Standardprozessen schränken uns zwar ein, aber die bekannten Namen der Anbieter verleihen ein Gefühl von Sicherheit. Wenn tausende andere Unternehmen mit den Standardprozessen der ERP-Anbieter gut arbeiten – warum sollen wir das nicht auch können?

Aber: Tausende andere Unternehmen arbeiten eben nicht gut mit den Standardprozessen. Sie ärgern sich über inflexible Prozesse, fragmentierte Insellösungen, unterbrochene Datenflüsse und kundenunfreundlichen Service. Tausende andere Unternehmen ächzen unter der Last ihrer technischen Schulden. „Out-of-the-box“-Prozesse der ERP-Anbieter funktionieren nur in der Werbung gut.

Die Alternative verlangt, Verantwortung für die eigenen Prozesse zu übernehmen. Eine prozessgesteuerte Digitalisierung mit einer universell einsetzbaren BPMN-Prozess-Anwendung liefert eben keine fertigen Prozesse, die schon tausendmal laufen. Sie bietet die Freiheit, Prozesse so zu designen, wie es für Kunden, Mitarbeiter und Unternehmen passt. Der Preis für diese Freiheit ist die Eigenverantwortung.

Da bekommen Finanz- und IT-Leiter doch schnell kalte Füße. Sie fürchten, das Rad für jeden Null-acht-fünfzehn-Prozess neu erfinden zu müssen. Sie sind sich unsicher, ob sie beim Design wirklich alle Randbedingungen bedacht haben. Vielleicht doch lieber auf den guten Rat des ERP-Anbieters hören?

Was ERP-Systemen für Prozesse und Transaktionen leisten können – und was nicht

Was ERP-Systeme wirklich gut können, ist Datenbestände über Ressourcen zu führen und Transaktionen auf diese Bestände sicher auszuführen. Das sind die Räder, die wir nicht neu erfinden wollen. Aber die Prozesse, die zu diesen Transaktionen führen, sind in jedem Unternehmen individuell. Nicht der Einkaufsvorgang ist kritisch, sondern der Entscheidungsprozess, wann was wie wo einzukaufen ist.

Die Transaktion ist wie der Fußabdruck des Prozesses. Die Prozesse wollen wir selbst gestalten, die Transaktionen in Standardsystemen ausführen. Das ist prozessgesteuerte Digitalisierung.

Das erfordert, die eigenen Prozesse zu verstehen und sich auf die fachlichen Anforderungen einzulassen. Da ist die Versuchung groß, Diskussionen mit dem Verweis auf Standardprozesse im ERP-System abzukürzen. Prozesse sind eben immer auch eine Machtfrage.

Prozessgesteuerte Digitalisierung verbindet pure Standardsoftware mit hoch individuellen Prozessen. Das gibt Unternehmen die Souveränität über die eigenen Prozesse zurück und befreit von der Last der technischen Schulden.

Aber sie fordert Unternehmen auch heraus, diese Souveränität zu ergreifen und Verantwortung zu übernehmen. Daher fordere ich in meinen Beratungen auf: Habe den Mut, dich deines eigenen Prozessverstandes zu bedienen!

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