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Was sind die Voraussetzungen für die prozessgesteuerte Digitalisierung?

Prozessgesteuerte Digitalisierung heißt: alle IT-Anwendungen richten sich nach den Unternehmensprozessen. Und nicht umgekehrt. Der Kern dieses von Prof. Dr. Volker Stiehl entwickelten Lösungskonzeptes ist das Modell des optimalen Geschäftsprozesses. Eine Process Engine ist eine Standardanwendung in der IT-Infrastruktur, sie interpretiert dieses Modell und führt den Prozess genau so aus, wie wir ihn modelliert haben.

Alle Informationen, die der Prozess benötigt, werden dazu in einer eigenen Anwendung zur Datenintegration bereitgestellt – unabhängig davon, in welchen Unternehmensanwendungen die Daten geführt werden. Entscheidungen können entsprechend hinterlegten Geschäftsregeln automatisiert werden, und Benutzerdialoge sind auf genau die fachliche Situation hin gestaltet, in der sie eingesetzt werden. So ergeben die verwendeten Masken für die Benutzer intuitiv Sinn. Kryptische Dialoge und langatmige Einarbeitungen sind passé.

Das IT-Konzept der prozessgesteuerten Digitalisierung beschreibe ich  in diesem Beitrag ausführlich: IT-Konzept der prozessgesteuerten Digitalisierung, dort finden Sie auch meinen Artikel „Prozesse digital Denken“ zum Download. Eingehende technische Informationen finden Sie auf der Seite von Prof. Volker Stiehl und in seinem Buch „Prozessgesteuerte Anwendungen entwickeln

Mit diesem Konzept für eine IT-Architektur entkommen Sie auch einer klassischen Zwickmühle. Nämlich der Frage „Wähle ich:

  • eine Standardsoftware, die nie so ganz richtig auf die spezifischen Belange des Unternehmens passt
  • eine Individualsoftware, die zwar haargenau passt, aber in Entwicklung und Pflege oft viel zu aufwändig wird?“

Drei Voraussetzungen für die prozessgesteuerte Digitalisierung

Trotz dieser genial einfachen Struktur erfordert „PiDiArtify®“ wie Volker Stiehl sein Konzept nennt (aus PDA für „Process Driven Approach), drei wichtige organisatorische Voraussetzungen.

I. Die Schere im Kopf überwinden

Die erste Voraussetzung für die prozessgesteuerte Digitalisierung hängt direkt mit seiner unbestrittenen Stärke zusammen. Das Konzept ist geeignet, (fast) alle bekannten Begrenzungen von Geschäftsprozessen durch IT-Systeme und die Nicht-Verfügbarkeit von Wissen außer Kraft zu setzen. Genau das macht dieses Vorgehensmodell ja so attraktiv. Information ist einfach da, wo sie gebraucht wird. „Don’t care – it’s there!“

Warum sollte diese Stärke ein Risiko sein? Weil wir gelernt haben, Geschäftsprozesse um den gegebenen Fluss von Informationen herum zu bauen. Und genau dass wollen wir hier nicht tun. Der Informationsfluss soll sich dem optimalen Fluss der Wertschöpfung anpassen. Aber was ist ein „optimaler“ Geschäftsprozess, wenn es keine Begrenzungen mehr gibt?

Viele Unternehmen sehen ihren eigentlichen Prozess im Dickicht der gewachsenen Routinen mit unzulänglichen Systemen gar nicht mehr. Sie suchen nach Lösungen, die „schlimmsten“ Engpässe ihrer bisherigen Prozesse zu automatisieren. Aber meistens müssen die gar nicht automatisiert werden, weil sie in Wirklichkeit überflüssig sind.

Wir wollen mit dem prozessgesteuerten Ansatz echte Produktivitätsreserven heben. Dazu müssen wir den eigentlichen Geschäftsprozess vom Schutt der gewachsenen Strukturen befreien und wie ein Archäologe „freilegen“. Es geht um den Wertstromdesign in den Leistungsprozessen. Sich freimachen von allem bisher gewohnten und auf das konzentrieren, was im Leistungsprozess wirklich zählt.

Im Projektalltag ist das allerdings nur schwer umsetzbar. Wir müssen die Scheren im Kopf überwinden und auf die Wertströme schauen. Das ist die wahre Kunst in PiDiArtify®. Eine prozessgesteuerte Automatisierung braucht ein grundlegendes Design der Wertströme im Prozess.

II. Den Spagat zwischen Reengineering und Verbesserung schaffen

Das führt uns direkt zur zweiten organisatorischen Voraussetzung. Wir wollen uns von allem Hergebrachten lösen und einen Prozess „auf der grünen Wiese“ gestalten. Aber im täglichen Geschäft sind wir in genau diesen Prozessen gebunden, die wir überwinden wollen. Sollen wir auf den großen Glockenschlag hinarbeiten und warten, dass am „Tag X“ alles anders wird? Einerseits grundlegendes Reengineering, andererseits pragmatisches Verbessern bestehender Strukturen – das geht nur schwierig zusammen.

Dieses Dilemma können wir mit einem iterativen Vorgehen ausbalancieren. Wir gestalten einen Zielprozess ohne Rücksicht auf die Vergangenheit und entwerfen dann Schritt für Schritt Prozessmodelle, die vom aktuellen Status quo zu dieser Zielvorstellung führen. Jede Iteration umfasst das Prozessdesign, die Umsetzung in der Process-Engine und in der Integrationssoftware, das Training der Mitarbeitenden und die Umsetzung in die Geschäftspraxis.

Mit jedem Schritt sollen die Beteiligten eine Verbesserung erleben (und sei sie noch so klein). Und alle sollen wissen und verstehen, wohin die Reise gehen wird. Die IT-Architektur des prozessgesteuerten Ansatzes ist ideal geeignet für eine solche inkrementelle Vorgehensweise. Dabei ist aber wichtig, dass sich alle Projektpartner diszipliniert an die Iterationen halten. Agilität ist kein Freestyle, sondern harte Disziplin im Projekt.

III. Stakeholder von Anfang an beteiligen

Dieses Change Management markiert die dritte organisatorische Voraussetzung für den prozessgesteuerten Ansatz. Nicht nur die Auftraggeber des Projekts und die IT-Umsetzer müssen den Spagat zwischen Reengineering und inkrementeller Verbesserung hinkriegen – auch die Mitarbeitenden, die Anwendungsbenutzer, die Beteiligten der einbezogenen Systeme: sie alle müssen sich einerseits auf die revolutionäre Zukunft des von allen Begrenzungen befreiten Prozesses einlassen und gleichzeitig die Geduld der kleinen Schritte zeigen.

Das erfordert, von Anfang an alle Beteiligten in die Prozessanalyse und -Gestaltung einzubinden. Kontinuierliche Change-Kommunikation ist der erfolgsentscheidende Faktor auch prozessgesteuerte IT-Projekte.

Die wichtigsten Ressourcen

Die größten Herausforderungen für eine gelungene Digitalisierung mit dem prozessgesteuerten Ansatz liegen meines Erachtens im Feld der Organisation, nicht in dem der Technik. Wir können diese Herausforderungen meistern, wenn die Projektleitung drei wichtige Ressourcen aufs Spielfeld bringt:

Prozessdesign

Den Kopf frei bekommen für ein klares Prozessdesign entlang der Wertschöpfung im Leistungsprozess

Iteration

Ein diszipliniertes iteratives Vorgehen, um ein mutiges Prozessdesign in kontinuierlichen Verbesserungsschleifen beharrlich umzusetzen

Change Kommunikation

Die Beteiligung aller Stakeholder vom ersten Moment und eine konsequente Change-Kommunikation über das gesamte Projekt

Im PiDiArtify® Netzwerk gehöre ich von Anfang an zum Kreis der Prozessberater. Ich wurde 2022 als erster Berater von Prof. Volker Stiehl nach dem PidiArtify-Standard zertifiziert.

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