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Braucht ein Unternehmen ein Karrieremodell? Drei Gründe sprechen dafür, ein solches aufzubauen und auch zu kommunizieren:

  1. Ein kommuniziertes Karrieremodell bietet Mitarbeitenden Klarheit über ihre Entwicklungsmöglichkeiten und die dafür notwendigen Anforderungen.
  2. Es schafft Orientierung für Menschen im Unternehmen, die „ihren Platz“ im System suchen.
  3. Und es liefert dem Unternehmen objektive und transparente Kriterien für die Zuteilung von Rollen, Entscheidungsbefugnissen und Vergütungsspannen.

Kürzlich erschien zu diesem Thema das Buch von Elif Tunc. Ich nehme das zum Anlass, Karrieremodelle als Organisationsregel von verschiedenen Seiten zu beleuchten..

In ihrem Werk „Karrieremodelle in Unternehmen“ liefert Elif Tunc eine pragmatische Herangehensweise, ein schlüssiges Karrieremodell im Unternehmen aufzubauen. Ihr Vorschlag dazu kombiniert eine Dimension „Karrierepfade“ mit einer zweiten Dimension „Karrierelevel“. Die Pfade unterscheidet sie in Kategorien wie Fachkarriere, Projektkarriere, Führungskarriere oder Vertriebskarriere – wobei je nach Unternehmensstrategie weitere hinzukommen. Im Detail können Pfade noch in Unterpfade gegliedert werden.

Karrierepfade und Karrierelevels im Karrieremodell

Die Karrierelevel richten sich nach dem Wissen und Können der Personen und unterscheiden Stufen vom Einsteiger bis zum Seniorexperten. Sie plädiert für sechs Level, um das Modell noch handhaben zu können. In jedem Pfad benennt man für die verschiedenen Level die Positionen mit einem Jobtitel. Allerdings sind nicht alle Level in jedem Karrierepfad vorgesehen. Der Pfad Führungskarriere hat kein Einsteigerlevel, weil Berufseinsteiger selten sofort in disziplinarische Führungsaufgaben treten. Dagegen ist das höchste Level nur im Pfad Führungskarriere ausgeprägt, weil die anderen Pfade keine der Geschäftsführung (neudeutsch C-Level) entsprechende Stufe kennen.

Das macht es notwendig, dass Mitarbeiter auch zwischen den Karrierepfaden wechseln können, wenn ihre Neigung und Kompetenz auf eine Entwicklungsmöglichkeit treffen.

Für die verschiedenen Jobtitel stellt das Unternehmen die Aufgaben, die notwendigen Mitarbeiterkompetenzen und die Verantwortlichkeiten zusammen. Will ein Mitarbeiter sich auf eine Position dieser Matrix entwickeln, muss sie oder er die Kompetenzen nachweisen oder noch erwerben.

Karrieremodell versus Unternehmenshierarchie

Besonders interessant finde ich, dass ein solches Karrieremodell sich nicht immer mit der Unternehmenshierarchie decken muss. Es kann also sein, dass eine Person mit einem hohen Level der Fach- oder Projektkarriere in einem Team arbeitet, das von einer Führungsperson auf mittlerem Level der Führungskarriere geleitet wird.

Die disziplinarische Führungskraft ist also im Karrierelevel nicht allen Mitarbeitenden ihres Teams übergeordnet. Das entspricht meiner häufigen Erfahrung, dass Mitarbeiter im Team fachlich mehr Erfahrung haben als die Führungsperson und auch im Unternehmen mehr Seniorität genießen. Die Vergütung richtet sich übrigens in einem solchen Karrieremodell eher nach dem Karrierelevel als nach der hierarchischen Position. Dann ist es auch völlig normal, dass erfahrene Fachpersonen mehr verdienen als ihre Teamleitung.

Soweit das vorgestellte Karrieremodell von Elif Tunc.

Wie ist dieses Karrieremodell aus Sicht der systemischen Organisationsentwicklung zu bewerten?

Das Modell stellt eine Organisationsregel dar, wie der Zugang zu Rollen und Positionen mit mehr Entscheidungsmacht und höherer Vergütung zu handhaben ist. Ohne eine solche Regelung bleibt diese Entscheidung rein bei der Person, die über diesen Zugang entscheidet. Diese Entscheidungsprämissen Person oder Regel spiegeln einen wichtigen Teil der Unternehmenskultur wider.

Werden Karrieren von Personen (mehr oder weniger) willkürlich entschieden, dann zählen persönliche Bindung oder Loyalität stärker bei der Chancenvergabe. Oder unausgesprochene Kriterien, die gerne unter „Nasenfaktor“ subsummiert werden. Unternehmer und Unternehmerinnen können mit der geschickten Verteilung von Rollen und Positionen auch solche Bindungen und Loyalitäten aufbauen, auf die sie später wieder zurückgreifen können. Loyalität ist eine wichtige Währung, insbesondere in Familienunternehmen.

Je mehr Entscheidungen im Unternehmen formal geregelt sind, desto wahrscheinlicher wird es auch, dass Einzelfälle durch eine dieser engmaschigen Regeln nicht abgedeckt sind. Da verfügt eine Person über Kompetenzen, Erfahrungen oder Kundenbindungen, die im Kompetenzmodell nicht berücksichtigt sind und das Unternehmen will diese Kompetenzen in der Entscheidung honorieren – schon bekommt ein Karrieremodell Löcher oder gerät in Schieflagen.

Ähnlich sieht es aus, wenn kurzfristige Herausforderungen eine Rolle oder Position notwendig machen, die im Modell nicht vorgesehen ist und eine knappe Personalressource gebraucht wird, die auf die Schnelle nicht im Rahmen der vorgesehenen Gehaltsbänder zu bekommen ist. Wollen sich Unternehmer diese Flexibilität und unternehmerische Intuition nehmen?

Es gibt also durchaus unternehmerische Gründe, die Karrierewege im Unternehmen nicht fest zu regeln. Die Entscheidung ist geprägt von der Unternehmenskultur und sie wirkt wiederum prägend auf diese Kultur. Ein transparentes Karrieremodell könnte eine Strukturmaßnahme sein, um Offenheit und Transparenz als Werte in der Kultur stärker in den Vordergrund zu rücken.

Fachliche und disziplinarische Führung: beide Funktionen brauchen Führungskompetenzen

Mich interessiert am meisten das Zusammenspiel zwischen fachlicher und disziplinarischer Führung. Das Karrieremodell macht offensichtlich, dass fachliche Expertise eine Führungsfunktion darstellt, die von Führung in der Hierarchie sinnvollerweise zu trennen ist. Ich finde es gut, wenn diese Funktion in einem solchen Modell seinen formalen Niederschlag findet.

In der Folge bedeutet das aber auch, dass Führungskompetenzen nicht nur für den Karrierepfad Führung notwendig sind, sondern übergreifend für alle Karrierepfade gedacht werden müssen. Fachliche Führungspersonen tragen Verantwortung für Prozesse, fachliche Regeln, Organisation von Wissen, Qualifizierung von Mitarbeitern, für fachliche Kontrollen und Freigaben und für die Beratung (Führung!) von Kunden.

Wir brauchen Führungskompetenzen unabhängig von Rang und Position. Mein Führungstraining „Verantwortung übernehmen“ richtet sich darum an alle Personen, die – egal in welcher Position – in Führung gehen.

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