Welche BPMN-Engines gibt es? Inzwischen bietet der Markt dafür eine signifikante Auswahl. Zeit also, für einen kurzen Überblick. Denn in der prozessgesteuerten Digitalisierung ist eine solche Process-Engine notwendig, mit der wir das Design für einen digitalen Prozess in unserer IT-Landschaft ausführen können. In diesem Artikel stelle ich zusammen, welche Produkte für diesen Zweck auf dem Markt sind. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Marktübersicht BPMN-Engines: ein erster Überblick
Als Organisationsberater kann ich keinen Einblick in die Unterschiede der technischen Details geben. Die Liste soll zeigen: Es gibt auf dem Markt mittlerweile ein breites Angebot an Produkten, um eine prozessgesteuerte Digitalisierung umzusetzen.
Auf eine Diskussion der Preismodelle hinter den Angeboten verzichte ich, denn die Modelle sind untereinander nur schwer vergleichbar. Einige Hersteller bieten Preise je Benutzer an, andere machen den Preis von der Anzahl der Prozessmodelle abhängig, wieder andere von der Zahl der Prozessinstanzen.
Wer eine Process-Engine einsetzen will, kommt also nicht daran vorbei, zuvor die verschiedenen Preismodelle zu studieren. Oder auf eine Open-Source-Variante zu setzen, denn hier werden keine Lizenzgebühren fällig, nur Honorar für die im Projekt erbrachten Dienstleistungen.
Open-Source als Lizenzmodell – Vorteile, Nachteile
Viele der BPMN-Process-Engines werden unter einer Open-Source-Lizenz angeboten. Das bedeutet, dass Unternehmen die Software frei von Lizenzgebühren auch produktiv nutzen dürfen.
Manchmal wird nebeneinander eine Community-Version unter Open-Source-Lizenz und eine Enterprise-Version unter kommerzieller Lizenz gegen Lizenzgebühr angeboten. In der Community-Version fehlen dann in der Regel einige nützliche (Zusatz-)Features, die Anwendung selbst ist aber vollständig nutzbar.
Der kritische Engpass beim Einsatz von Open-Source-Software ist der Support. Die Hersteller bieten für die Community-Versionen ausschließlich einen Community-Support, das heißt, dass man sich mit anderen Nutzern und Mitarbeitern des Herstellers in einem öffentlichen Forum austauscht. Meistens sind diese Foren sehr kompetent betrieben, sodass man dort gut Antworten erhält, aber es ist eben keine individuelle – und schon gar keine vor-Ort-Unterstützung.
Man kann Software unter Open-Source-Lizenz also gut nutzen, wenn man entweder eine eigene Entwicklungsmannschaft vorhält, die sich in das notwendige Know-how einarbeitet, oder über einen Beratungspartner dieses Wissen einkauft. Manche Hersteller verknappen diese Ressource aber bewusst, indem sie ihren zertifizierten Business-Partnern untersagen, Installationen der Community-Version zu supporten.
Welche BPMN Engines gibt es? Die Anwendungen in der Übersicht
Activity
Activiti ist die „Mutter“-Anwendung verschiedener anderer Programme. Die Anwendung wurde vom Dokumenten-Management-Anbieter Hyland entwickelt und in einer Open-Source-Lizenz bereitgestellt. Hyland bietet die Software einerseits in dieser Open-Source Community-Version an, als Enterprise-Version ist sie in Hylands Dokumenten-Management-Anwendung Alfresco integriert. Aus dieser Anwendung wurden im Laufe der Zeit verschiedene „Ableger“, so genannte Forks gebildet. Das sind andere Open-Source-Anwendungen, die den ursprünglichen Code der „Mutter“-Anwendung nutzen und auf dieser Basis weiterentwickeln.
Camunda 7
Die Process Engine Camunda 7 ist eine Open Source Anwendung. Das Berliner Unternehmen Camunda hat den Code 2013 von der Anwendung Activity geforked und seitdem unter dem Namen Camunda weiterentwickelt. Camunda 7 ist in einer Community-Version unter Open-Source Lizenz Software und als Enterprise Version unter kommerzieller Lizenz auf dem Markt.
Die Softwareversion ist allerdings von Camunda abgekündigt und wird ab 2026 nicht mehr supported. Enterprise-Kunden sind eingeladen, auf die neue Anwendung Camunda 8 (siehe unten) zu migrieren.
Operaton
Nach der Abkündigung des Service für Camunda 7 wurde der Code von verschiedenen Teams „geforked“, um ihn als Open-Source-Anwendung weiter zu entwickeln. Einer dieser Forks ist Operaton. Das Team hinter dieser Anwendung ist auf die Open-Source-Prinzipien eingeschworen: Der Code gehört keiner kommerziellen Organisation, dazu ist ein Verein in Gründung, der die Weiterentwicklung koordiniert.
Da hier kein kommerzielles Unternehmen als Treiber hinter der Initiative steht, wird auch nicht zwischen Community- und Enterprise-Version unterschieden. Rund um den Verein entstehen verschiedene Beratungsunternehmen, die Unterstützung für den Einsatz der Anwendung anbieten. Diese sind meistens auch pro bono in die Weiterentwicklung eingebunden. Das Geschäftsmodell basiert hier also ausschließlich auf der Support-Dienstleistung.
CIB Seven
Ein weiterer Fork der Camunda 7 Software stammt von der Firma CIB software aus München. Die Software soll in die bestehenden Anwendungen des Unternehmens integriert werden. Wie eine alleinstehende Nutzung der Software in einer Open-Source-Lizenz aussieht, erscheint mir auf der CIB-Website noch unklar.
Der Start einer CIB seven Community ist für das Quartal 1, 2025 angekündigt. Die Enterprise-Anwendung ist in die bestehenden Produkte von CIB eingebunden, Kunden der CIB finden dort auch professionelle Unterstützung. Wie die Nutzung einer Community-Version geplant ist, steht noch aus.
Flowable
Flowable ist, wie Camunda, ein früher Fork von Activiti. Die Anwendung wird in einer Community-Version angeboten. Der Funkionsumfang der Autmation Engine ist uneingeschränkt, muss aber vollständig vom Anwender betrieben werden. In der Enterprise-Version bietet das Unternehmen zahlreiche zusätzliche Features wie Sicherheitsfunktionen, Reporting, Konfigurierbare User Interfaces und Visuelles Design und Debugging von Prozessen.
Die Flowable AG ist ein Schweizer Unternehmen mit Sitz in Bern und einer deutschen Niederlassung in Stuttgart.
Camunda 8
Die Process Engine Camunda in der Version 8 hat nichts mehr gemein mit den Vorgängerversionen bis Camunda 7. Die bisherigen Versionen waren Open-Source-Anwendungen, die Version 8 ist nur unter einer kommerziellen Lizenz erhältlich.
Camunda legt bei der Weiterentwicklung seiner Engine großen Wert auf direkte nahtlose Integration von Services. Die neue Funktion „Agentic Process Orchestration“ verspricht die vollständige Einbindung von KI-Agenten in die End-to-End-Prozesse.
Die Anwendung von Camunda ist gewissermaßen der „Platzhirsch“ unter den BPMN-Engines.
ProcessCube
Das Gelsenkirchener Softwareunternehmen 5Minds bietet mit dem ProcessCube eine weitere BPMN-Process Engine, die die BPMN 2.0 Spezifikation annähernd vollständig abdeckt. Die Anwendung ist in der Entwicklung vollständig unabhängig von der Open-Source-Historie der Activiti. Die Entwicklungsumgebung ist nicht Java, sondern DotNet. Microsoft-affine Unternehmen und Entwickler dürften sich hier schnell zurechtfinden.
Mr. Know
Die Anwendung Mr. Know von Inspire Technologies aus St. Georgen im Schwarzwald wird als so genannte „No-Code-Platform“ beworben. No-Code soll heißen, dass Anwender ohne Hilfe von Entwicker-Know-how ihre Prozesse schnell und einfach automatisieren. Bei Mr. Know hilft dabei auch eine KI.
Tatsächlich steckt bei dieser Anwendung aber eine voll ausgewachsene BPMN 2.0 Engine unter der Haube. Der Hersteller will damit die gesamte Bandbreite der Prozessautomatisierung bedienen: von der schnell erstellten No-Code-Lösung bis hin zur voll integrierten Unternehmensanwendung.
Auch Mr. Know ist in der DotNet-Umgebung entwickelt, also ideal für das Microsoft-Umfeld.
SpiffWorkflow
Die amerikanische Firma Sartography aus Staunton, Virginia entwickelt seit 2009 eine BPMN-Workflow-Engine unter dem Namen SpiffWorkflow. Die Entwicklungsumgebung ist Python.
Die Anwendung ist sowohl als Open-Source-Variante, als auch als Enterprise Version verfügbar. Sartography bietet für die Enterprise-Version verschiedene Supportmodelle. Welche Integrationspartner in Deutschland eine Implementierung begleiten, ist mir nicht bekannt.
Trisotech
Die kanadische Firma Trisotech aus Montreal bietet seit vielen Jahren eines der führenden Modellierungswerkzeuge für alle Arten von Modellierung im Unternehmensumfeld (von der Empathy Map zum BPMN-Prozessmodell). Darüber hinaus bietet Trisotech aber auch eine Digital Automation Suite, die BPMN- und DMN-Modelle im Unternehmen ausführt. Wie umfassend die Spezifikationen der Modellstandards abgedeckt sind, ist aus den Unternehmensinformationen nicht ersichtlich.
Bizagi
Das amerikanische Unternehmen Bizagi aus Washington DC bietet die Automatisierungsanwendung Bizagi an. In Deutschland ist das Unternehmen über eine Tochter in München vertreten. Bizagi umfasst die Modellierung von BPMN-Prozessmodellen, die Modellierung von Entscheidungen und Daten sowie die Ausführung modellierter Prozesse in einer Anwendung.
Fazit: BPMN-Engines für Ihre Prozesse
Sie sehen: Es gibt wirklich eine Vielzahl der unterschiedlichsten Engines, je nach Ziel, Budget, eigener Mannschaft und den Anforderungen im Unternehmen passt die eine oder andere besser. Daher gibt es hier auch keine allgemeingültige Empfehlung, sondern einen ersten Überblick, Stand I/2025. Wenn Sie Beratung bei der Auswahl Ihrer BPMN-Engine benötigen, sprechen Sie mich gerne an. Ich habe in meinem Netzwerk die richtigen Experten für eine neutrale Auswahl, mit denen ich Sie gerne zusammenbringe.
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