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Die Vorbereitung auf die Firmenübergabe ist in erster Linie eine persönliche Lernaufgabe für Unternehmer(innen). Die sachlichen Fragen von Steuern, Verträgen oder Bewertung lassen sich lösen, wenn die Hürden im Kopf überwunden sind.

Ratgeber zur Nachfolge gibt es genügend. Und überall lernen wir, wie wichtig es ist, sich frühzeitig darum zu kümmern. Die Argumente dafür liegen auf der Hand – und doch ist Nachfolge immer wieder ein Thema für „in ein paar Jahren“. Das ist auffällig, sind Unternehmer doch sonst eher dafür bekannt, vorausschauend zu handeln und zielorientiert zu denken. Wie sonst hätten sie ihr Unternehmen erfolgreich führen können?

Unsicherheit über Altervorsorge

Angestellte freuen sich oft in den letzten Jahren ihrer Berufstätigkeit auf den „Tag x“, wenn sie zum letzten Mal in die Firma gehen – Unternehmer tendieren dazu, diesen Übergang weiter nach hinten zu schieben.

Das kann wirtschaftliche Gründe haben: Das Unternehmen wirft regelmäßige Einkünfte ab, nach dem Ende des Berufslebens leben wir von der angesparten Altersvorsorge. Und wie üppig (oder wenig üppig) die ausfällt, ist wenigen im Detail klar. Da Unternehmer nicht pflichtversichert sind, haben viele die Altersvorsorge zwischenzeitlich vernachlässigt, dementsprechend groß ist die Unsicherheit. Und wenn die Zukunft unsicher ist, tendieren wir dazu, am Bewährten festzuhalten.

Eingespielte Muster in der Familie

Ich vermute aber, dass die wirtschaftlichen Gründe die immer wieder beobachtete Verdrängung nicht erklären. Nachfolge beginnt vielmehr im Kopf. Die Firma hat jahrelang die gesamte Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die Familie hat gelernt, sich damit zu arrangieren. Viele persönliche oder familiäre Themen und Konflikte konnte der/die Unternehmer(in) erfolgreich zur Seite schieben, weil man sich gerade auf die Firma konzentrieren musste. Das Muster wird in Unternehmerfamilien früh eingeübt und stabilisiert den Alltag über viele Jahre. Sollte die Firma wegfallen, ist diese Strategie ernsthaft in Gefahr. Die Angst vor den Aufgaben „danach“ blockiert die Lösung der eigentlich lösbaren vor einem liegenden Probleme. Wer die Herausforderung Nachfolge angehen will, muss daher oft zuerst das Muster der Verdrängung anderer Themen unterbrechen. Das kostet Kraft und Mut – aber das sind Ressourcen, über die Unternehmer ja verfügen – diese Ressourcen gilt es umzuleiten.

Die starke Erfahrung von Selbstwirksamkeit, wie sie sich bei Unternehmern naturgemäß entwickelt, wird angesichts der Aufgabe „Loslassen“ zu einem weiteren Hindernis. Unternehmer haben über Jahrzehnte gelernt, wie viel sie selbst mit ihrer Initiative und ihrem Fleiß bewegen können. Die Umwelt, Familie und Mitarbeiter nähren dieses Selbstbewusstsein regelmäßig mit ihrer Rückmeldung. Wenn etwas schwierig wird, fragen sie den Chef. Wer über Jahre als „Macher“ sozialisiert wurde, tut sich verständlicherweise schwer damit, anderen diese Kraft, dieses Wissen, diese Kompetenzen zuzutrauen. Oft genug haben Unternehmer die Erfahrung gemacht, dass Sachen schiefgelaufen sind, wenn sie sich nicht selbst gekümmert haben. Wie oft haben sie Dinge selbst in die Hand genommen, weil es ihnen zu lange gedauert hätte, sie anderen zu erklären. Wissen, Erfahrung, soziale Bindungen weiterzugeben, erfordert die Übung, sich selbst „von außen“ zu beobachten und dieses Wissen zu abstrahieren – in Worte zu fassen. Nur dann können wir es weitergeben. Diese Kompetenz gehört nicht zum regulären Repertoire von Unternehmern.

Loslassen – ein schwieriger Lernprozess

Loslassen bedeutet auch, Fehler zu akzeptieren. Wenn das Unternehmen bis heute erfolgreich ist, dann hat ein Unternehmer offenbar mehr richtig als falsch gemacht in seinem Betrieb – die Erinnerung an eigene Fehler verblasst gegenüber den eigenen Erfolgen. Dabei wäre auch der eigene Erfolg ohne die vielen Fehler nicht möglich gewesen. Und so bitter es ist: Die meisten Fehler werden vom Nachfolger noch einmal gemacht. Fehler kosten Geld – aber sie sind eine Investition in das Wissen des Unternehmens. Verantwortung abzugeben setzt voraus, eine positive Einstellung zu Fehlern zu entwickeln. Die Erinnerung an eigenes Scheitern ist eine wichtige Ressource in diesem Lernprozess.

Firmenübergabe: Coaching hilft

Und schließlich ist die Firmennachfolge eine Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit. In der Rückschau auf das Leben erscheinen viele Dinge kleiner, die groß waren, als sie uns damals beschäftigten. Verpasste Gelegenheiten erscheinen in der Rückschau wie vergebene Lebenschancen. Aber der Rest des Lebens ist nicht dazu da, die verpassten Chancen nachzuholen. Wer Zufriedenheit mit seinem eigenen Leben gelernt hat, kann die Aufgaben, die auf das Ende hinweisen, leichter bewältigen.

Die Vorbereitung auf die Übergabe der eigenen Firma bringt einige wichtige persönliche Lernaufgaben für Unternehmer mit sich. Wenn diese Übung der Reflektion schwerfällt, weil der Alltag Sicherheit, Kraft und Mut fordert, ist Coaching in diesem Veränderungsprozess eine wertvolle Hilfe.

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