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Entscheidungsprozesse zeigen dem Prozessmanager die Grenze. Die meisten Prozesse im Unternehmen dienen dazu, Entscheidungen zu organisieren. Sie können mehr oder weniger funktional sein. Um sie zu optimieren, reicht der BPM-Werkzeugkoffer aber nicht aus.

Dysfunktionale Enscheidungsprozesse

Wenn eine Investitionsentscheidung über 200 € wochenlang auf ihrem Weg durch die Instanzen braucht, ist der Prozess offensichtlich dysfunktional – der Entscheidungsprozess kostet mehr als die Konsequenzen der Entscheidung. Dieser Dysfunktionalität aber mit den Mitteln des Prozessmanagement beizukommen, ist aussichtslos. Was hilft es, den Unsinn des Prozesses in einem „Ist-Prozess“ genauestens zu beschreiben und dann nach einem „Soll-Prozess“ zu suchen – womöglich noch im Gedanken, allein die Automatisierung des Prozessflusses würde irgendeine Abhilfe schaffen.

Angst vor der Entscheidung

Hinter überformalisierten Entscheidungsprozessen steckt die Angst vor der Entscheidung. „Entscheidungsvermeidungsprozess“ wäre das richtige Wort. Es geht darum, sich gegen die eventuellen Folgen einer Fehlentscheidung persönlich abzusichern, indem man im Prozess die Verantwortung möglichst soweit verteilt, dass sie irgendwie verschwindet.

Entscheidung und Verantwortung

Dieser Prozess ist nicht zu optimieren, wohl aber die Kultur von Entscheidung und Verantwortung. Dazu gehört die Einsicht, dass Entscheiden immer paradox ist: Die Investition ist nicht budgetiert, sie widerspricht den geltenden Regeln im Unternehmen, aber die Ressource wird dringend gebraucht, um gesteckte Ziele zu erreichen. Diese Entscheidung ist nicht mit Rückgriff auf irgendein Regelwerk zu treffen, sondern ausschließlich durch persönliche Verantwortung. „Einen Tod müssen Sie sterben,“ wird dem Ratlosen gerne mit auf den Weg gegeben.

Entscheiden ist paradox.

Solange eine Frage allein durch Prüfung gegen eine Geschäftsregel zu beantworten ist, ist es keine Entscheidung. Daher ist die ganze Begrifflichkeit des „Enterprise Decision Management“ purer Humbug. Geschäftsregel-Management oder neudeutsch „Business Rules Management“ passt schon eher. Es geht um die Abgrenzung zwischen „Prüfung“ und „Entscheidung“. Die Prüfung gegen eine Geschäftsregel ist eine Verwaltungsaufgabe, die mit den richtigen Tools auch automatisiert werden kann. Eine Entscheidung ist immer dann nötig, wenn die Geschäftsregel nicht greift oder eine Ausnahme von der Regel zur Diskussion steht.

Enterprise Decision Management ist Humbug.

Nach dieser Klärung kommt der Prozessmanager wieder ins Spiel: Ein Prozess kann dafür sorgen, dass Prüfungen effizient (automatisiert) ablaufen und notwendige Entscheidungen schnell identifiziert werden. Er kann noch sicherstellen, dass für die Entscheidung notwendige Informationen da sind – und dann die Entscheidung zu einer entscheidenden Person leiten.

Prüfen und Entscheiden trennen

Mit solchen Entscheidungsprozessen können Organisationen steuern, dass Entscheider die Informationen und Kriterien beachten, die die Organisation für wichtig erachtet. So werden Entscheidungen professionalisiert und transparent. Aber das Entscheiden selbst nimmt einem kein Prozess ab. Entscheiden bleibt paradox. Darum ist Entscheiden eine Management-Aufgabe. Manager werden (in der Regel) höher bezahlt, weil sie dieses Paradox aushalten müssen.

effektives Entscheidungsmanagement

Entscheidungsmanagement ist dann effektiv, wenn es dem Unternehmen gelingt, die Entscheidungsmacht angemessen zu verteilen: Entscheidungen sind auf jeder „Ebene“ des Unternehmens möglich und notwendig. Aber die Tragweite jeder Entscheidung muss der tragbaren Verantwortung einer Person entsprechen. Und wenn eine Organisation eine Entscheidung delegiert, muss sie auch mit dem Risiko der Fehlentscheidung leben. Auch das gehört zur Verantwortung der Führung.

Prozessmanagement und Fehlerkultur

 

Solange aber Mitarbeiter und Führungskräfte die Erfahrung machen, für Fehlentscheidungen unangemessen sanktioniert zu werden, werden sie immer wieder versuchen, Entscheidungen zu vermeiden. Da hilft auch der beste Prozess nichts – dann wuchern eben die Schattenprozesse wieder wild durchs Unternehmen. Prozessmanagement ohne Kulturentwicklung ist bloß die halbe Geschichte.

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