„Ich war mir sicher, dass ich als Abteilungsleitung liefere, was meine Mannschaft von mir braucht. Bis ich in einer heftigen Diskussion erfuhr, dass ich mit meinem Verständnis vollkommen neben den Erwartungen meines Teams lag.“ Vielen Managern geht es ähnlich wie dieser Führungskraft in meinem Coaching.
Führungspersonen sehen sich den Erwartungen vieler Stakeholder gegenüber. Sie haben unterschiedliche Personen mit verschiedenen Erwartungen im Team. Ihre eigenen Vorgesetzten haben nicht nur Erwartungen an die Ergebnisse, sondern auch an ihr Führungsverhalten und an Ruhe im Team. Und sie sehen Kolleg*innen, die in dieser Jongliernummer offenbar mühelos performen.
Keine Frage des Mindsets!
Zeit für ein Leadership-Training? In den professionellen sozialen Netzwerken findet man zahlreiche Angebote, wo Coaches helfen, das richtige Führungs-Mindset aufzubauen und die eigene Persönlichkeit zu entwickeln. „Werde eine bessere Version deiner selbst,“ lautet das Versprechen.
Um es knapp zu formulieren: Von solchen Leadership-Trainings halte ich nichts. Es gibt kein „Mindset“, das eine gute Führungskraft von einer weniger guten unterscheidet. Und Persönlichkeitseigenschaften wie wahlweise „Durchsetzungsstärke“, „Empathie“, „Entschlusskraft“, „unternehmerisches Denken“ oder „Hands-on-Mentalität“ sind in Wirklichkeit austauschbare Floskeln, mit denen Stellenanzeigen beliebig angefüllt werden. Als Führungskraft im Coaching sollten Sie mehr erwarten.
Führungskraft und Coaching: Worauf kommt es an?
Wie kann eine Führungskraft im Coaching Orientierung und Sicherheit für das eigene Führungsverhalten bekommen? Die Antwort heißt Reflektion. Die eigenen und die fremden Erwartungen an sich selbst kritisch hinterfragen und eine eigene Strategie entwickeln, welchen Erwartungen ich nachkommen will und welche ich besser enttäuschen sollte.
Die Auseinandersetzung mit Erwartungen an die Person und die Rolle ist ein zentraler Baustein in meinem Programm zur Führungsentwicklung. Wenn wir genauer hinschauen, dann können wir drei Schichten von Erwartungen und Anforderungen an unsere Führung freilegen:
- Ausdrückliche Erwartungen: In Zielvereinbarungen, Führungsleitlinien, Teamentscheidungen werden Erwartungen aufgeschrieben. Im Gespräch äußern uns Vorgesetzte, Kunden oder Mitarbeitende, was sie sich in unserem Führungsverhalten wünschen.
- Stille Erwartungen: Die wirklich relevanten Erwartungen werden aber selten ausdrücklich formuliert. Diese Ansprüche wachsen aus Erfahrung – weil sie bisher irgendwie erfüllt wurden – und also bitte auch in Zukunft erfüllt werden sollen. Ziemlich häufig stehen die stillschweigenden Erwartungen im Widerspruch zu dem, was offiziell mitgeteilt wird.
- Anforderungen: Das, was das Team (das Unternehmen, der Kunde) wirklich braucht, ist oft nicht das, was diese (implizit oder explizit) erwarten. Als Führungspersonen müssen wir immer wieder Entscheidungen liefern, die von den Angesprochenen so nicht gewünscht werden. Wenn das so ist, dann setzen wir uns obendrein dem Risiko aus, mit unserer Einschätzung daneben zu liegen.
Zugegeben: Diese Differenzierung bringt einem nicht auf Anhieb Orientierung und Sicherheit. Aber es bringt eine Menge mehr Klarheit, diese Unterscheidung zu kennen als blind darauf zu vertrauen, dass das eigene Tun den Erwartungen „schon irgendwie“ gerecht wird.
Als Führungskraft vom Coaching profitieren
Damit Sie als Führungskraft vom Coaching wirklich profitieren, brauchen wir (mindestens) zwei weitere Schritte. Erstens arbeiten wir daran, die stillschweigenden Erwartungen „besprechbar“ zu machen. Dann können Führungskräfte im Gespräch auch hinter das Schaufenster des Ausgesprochenen schauen und auf diese Erwartungen reagieren.
Zweitens schauen wir darauf, welcher Rahmen für Führungsentscheidungen maßgeblich sein soll. Was aus der Sicht des Teams wie eine Zumutung wirkt, kann aus der Perspektive des Unternehmens als notwendig erscheinen. Führungskräfte haben ihren Platz „auf der Hecke“ zwischen dem geführten Team und der relevanten Umwelt, von der das Team am Ende abhängt. Den Rahmen für Führung bewusst zu setzen und zu kommunizieren ist eine der wichtigen Fähigkeiten im Führungsalltag.
Für eine Führungskraft muss Coaching meines Erachtens darauf ausgerichtet sein, das Rad der Führung im Schwung zu halten. Was dazu nötig ist, lässt sich mit einem geschulten Blick aus der Außenperspektive gut herausarbeiten. Das Führungshandeln, das daraus folgt, erfordert keine hochtrabenden „Leadership-Skills,“ sondern offenes Nachdenken, Kommunikation und Mut.
Beratungsangebote Führung und Teams
(Die Formulierung von der Führungskraft „auf der Hecke“ zwischen ihrem Team und der Organisation stammt aus dem Buch von Torsten Groth und Timm Richter: Wirksam führen mit Systemtheorie, das ich sehr gerne empfehle).