„Ist das jetzt die Ist-Beschreibung oder schon er Soll-Prozess?“ Die Frage geistert durch BPM-Projekte wie ein Zombie durch einen Gruselstreifen: Irgendwann kommt sie in jedem Projekt auf den Tisch. Dabei ist sie so unsinnig wie die Vorstellung von umherlaufenden Leichen. Die Unterscheidung in „Ist-Beschreibung“ und „Soll-Prozess“ existiert nur im Lehrbuch. Sie folgt der Illusion von einer wertfreien und folgenlosen Beobachtung von Geschäftsprozessen. Beobachten ist aber nicht wertfrei und schon die Beobachtung verändert soziale Systeme.
Illusion von wertfreier Beobachtung
Wenn Sie einen komplexen und verworrenen „Ist-Prozess“ grob skizzieren wollen, müssen Sie soweit von den Schleifen, Brüchen und Redundanzen abstrahieren, dass das Prozessmodell nur noch wenig mit der Realität zu tun hat. Schlimmer noch: Aus der abstrahierten Darstellung entsteht der irrige Eindruck, der Prozess sei klar strukturiert. Wozu also die Mühe? Und wenn Sie wirklich jede Schleife und Übergabe im Prozess modellieren, dann stecken Sie viel Zeit in ein Modell, das nachher keiner mehr versteht.
Es gibt keine reine „Ist-Beschreibung“
Woher kommt eigentlich bei einer „Ist-Beschreibung“ die Bewertung darüber, welches Detail denn jetzt relevant für die Aufnahme ist und welches nicht? Schon durch die Entscheidung über die Darstellung von Details kann ich so viel Wertung in das Modell bringen, dass der Prozess als „heillos verworren“ oder „klar strukturiert“ wirkt. Von wegen „wertfreie Beschreibung“.
Der logische Prozess zu Anfang
Jede Darstellung wertet. Also macht es meiner Ansicht nach Sinn, diese Wertung nachvollziehbar zu machen. Ich gehe daher gerne so vor, dass ich statt einer „Ist“- oder „Soll“-Beschreibung zuerst einen „logischen Prozess“ erarbeite. Eine abstrakte Darstellung der wertschöpfenden Schritte vom Anfangs- zum Endereignis – völlig abgehoben von der Realität im konkreten Prozess. Wenn ich dann nach einer Ist-Beschreibung frage, ergibt sich die Relevanz der Darstellung in der Frage nach dem Unterschied zum logischen Prozess: Was läuft bei uns anders als in dieser glatten und logischen Form? Und warum?
Information ist der Unterschied, der einen Unterschied macht
Die Strategie hat zwei Vorteile: Da, wo der Unterschied sinnvoll ist („bei uns ist es aus guten Grund anders“), wird der konkrete Ablauf verständlicher und bekommt einen Sinn. Und was als sinnvoll verstanden wird, prägt sich ein und wird beachtet. Da, wo die Frage nach dem Warum aber unbeantwortet bleibt, baut sich der notwendige Veränderungsdruck für das Reenginieering auf.
BPM erfüllt damit seine systemische Funktion, eine Außenperspektive in die Organisation zu bringen.