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Als Qualitätsmanager (oder Prozessmanager) wird man oft mit der Aufgabe in die Abteilungen geschickt, mit den Verantwortlichen die „Prozesse aufzunehmen.“ Und immer wieder denkt man sich: „Begeisterung sieht anders aus.“ Wie kann man in den Teams die Energie mobilisieren, bei der Prozessaufnahme das Wesentliche auf den Tisch zu bringen? Mein Tipp: Sorgen Sie dafür, dass die Teams zunächst über ihren Bedarf zur Entwicklung sprechen. Ohne die Wahrnehmung von Veränderungsbedarf ist Qualitäts- und Prozessmanagement eine Pflichtübung ohne jede Wirkung.

Als Qualitätsmanager muss ich also mit jedem Team über die Wahrnehmung der Qualität der eigenen Arbeit sprechen. Das Positive: Sobald Entwicklungsbedarf in einem Team in der Kommunikation ist, entwickelt sich auch was. Lernen ist nicht verhinderbar. Wie macht man das – mit einem Team den eigenen Entwicklungsbedarf erarbeiten?

Methoden-Tipps zur Moderation

Dazu zunächst die Warnung, wie es NICHT geht: Präsentieren Sie dem Team nicht irgendwelche Fehlleistungen, Soll-Ist-Abweichungen oder Benchmarks. Als Qualitätsmanager haben Sie nicht die Aufgabe, die Missstände aufzuzeigen, die die Anderen nicht sehen wollen. Selbstbeobachtung ist eine Führungsaufgabe jeden Teams, die kann man nicht abgeben. Trotzdem rutschen Qualitätsleute schnell in diese Rolle – es ist schließlich für alle bequemer, wenn einer den pedantischen Kritiker gibt. Den kann man dann als Erbsenzähler abstempeln und die eigene Welt ist wieder in Ordnung. Darum: Qualitätsprobleme nie von außen benennen!

Worauf können wir stolz sein?

Einer der magischen Grundsätze des systemischen Organisationsverständnisses heißt: „Was wichtig ist, kommt wieder.“ Wir vertrauen also darauf, dass die wichtigen Dinge aus dem Team selbst kommen. Ein hilfreicher und häufig verwendeter Ansatz für die Moderation ist die Stärken/Schwächen-Analyse. „Worauf können wir stolz sein?“ und „Was läuft noch nicht so richtig?“ Die Fragen können zum Beispiel als Kartenabfrage oder als Zweiergespräche bearbeitet werden. Wichtig ist dabei: Zuerst die Stärken ins Bewusstsein bringen.

Beobachten – Erklären – Bewerten

Wenn ein benanntes Qualitätsproblem im Raum steht, hilft es, die Beobachtungen darüber zu sammeln. Die Moderation zielt darauf ab, die Wahrnehmungsebenen „Beobachten“, „Erklären“ und „Bewerten“ zu trennen. Was erst einmal nüchtern beobachtet ist, lässt sich leichter bearbeiten. Als Hilfsmittel dient eine gedachte externe „Beobachtungssonde:“ Die Teammitglieder versetzen sich in die Lage eines Besuchers, der durch den Arbeitsbereich geht. Woran würde der sehen, dass es das benannte Problem gibt? Der gedachte Besucher kann wahlweise der Moderator sein, ein Kunde oder ein Vertreter einer anderen Einheit im Unternehmen. Einige Beraterkollegen führen zu diesem Zweck auch gerne ein grünes Marsmännchen in die Moderation ein. (Das hat den Vorteil, dass es von allen impliziten Interna definitiv keine Ahnung hat und nur nüchtern beobachtet und berichtet.)

Eine andere Methode ist, Selbst- und Fremdwahrnehmung zu thematisieren. „Was erzählt man denn so im Haus über Ihr Team?“ „Wie sieht der Vertrieb Ihre Arbeit?“ Diese oder ähnliche Fragen führen die Teammitglieder in die Außenperspektive. Sie beschäftigen sich damit, wie ihre Arbeit von der Umwelt wahrgenommen wird.

Das Nicht-Wahrnehmen thematisieren

Wie kommt es, dass bestehende Qualitätsprobleme lange nicht bearbeitet werden? Hinweise darauf finden Sie, wenn Sie das Nicht-Wahrnehmen thematisieren. Aber wir wollen nicht fragen: „Warum habt Ihr das nicht gesehen?“ Also nutzen wir noch einmal den externen Beobachter und fragen: „Was müsste ich eigentlich tun, damit ich das nicht sehe?“ Sie werden sehen: Die wirksamen Muster und Praktiken der selektiven Wahrnehmung kommen zur Sprache.

Sprechen wir über Ursachen: Mal angenommen, es gäbe einen Wettbewerber, der das genannte Problem nicht hat. Was müsste passieren, damit der auch davon betroffen ist? Es fällt deutlich leichter sich auszumalen, wie man einem anderen „zu einem Problem verhilft“ als darüber nachzudenken, wie man selbst da hineingeraten ist. Im Effekt wird über die Ursachen gesprochen.

Eine solche Team-zentrierte Moderation in der Qualitätsarbeit führt dazu, dass das Team über die Notwendigkeit von Entwicklung spricht. Und wenn Veränderungsbedarf erst einmal wahrgenommen ist, dann wird sich die Organisation auch verändern. Wir können uns nun daran machen, diese Veränderung zu beeinflussen. (Glauben Sie nicht, sie könnten diese steuern!)

Fangen Sie an, die Prozesse rund um die Entwicklungsbedarfe zu benennen und konkret anzuschauen. Fragen Sie nach den Beteiligten, nach den Inputs und Outputs, den Ressourcen, den Aktivitäten – ach, was erzähle ich Ihnen! Da sind Sie ja wieder auf bekanntem Boden. Ganz gleich, ob Sie den Prozess mit einem Steckbrief beschreiben oder in einem Prozessmodell darstellen: Jetzt arbeiten Sie MIT der Energie im Team und müssen das Team nicht mühsam in den Prozess hineinziehen.

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