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Wie Energieversorger frischen Wind in alte BPM-Projekte bringen

In letzter Zeit sehe ich in Projekten bei Energieversorgern, dass alte Prozessmanagement-Initiativen aus der Versenkung geholt werden. Offenbar suchen die Versorger und Netzbetreiber nach brauchbaren Steuerungsinstrumenten für einen Markt in Veränderung.

Häufig sind die Prozessmanagement-Projekte eingeschlafen, weil sie das Unternehmen nicht vorangebracht haben.

Warum sollte man heute die alten Kamellen wieder auspacken – und vor allem: warum sollte heute funktionieren, was vor ein paar Jahren floppte?

Netzprozesse effektiv steuern

Auf beide Fragen gilt die gleiche Antwort: Die „alten Kamellen“ sind heute noch gut, man darf bloß nicht die gleichen Fehler machen wie beim letzten Versuch. Die Prozesse im Netzbetrieb oder im Energievertrieb sind komplex und hochreguliert. Kostenersparnisse lassen sich nur durch Strukturierung und Automatisierung von Prozessen erreichen. Um diese Komplexität in den Griff zu bekommen, müssen wir verstehen, wie was womit zusammenhängt. Das Prozesskonzept ist dafür immer noch unschlagbar.

Entscheidend ist aber die Blickrichtung beim Anschauen der Prozesse: Es geht nicht darum, in einer Prozessdokumentation den „Ist-Zustand“ wahrheitsgetreu abzubilden, damit jeder im Unternehmen nachschlagen kann, was „richtig“ ist. Das ist Aufgabe der technischen Dokumentation und der Arbeitsanweisungen. Prozessmodelle dienen dazu, diese Detaildokumente in einen Zusammenhang zu bringen. Prozessmanagement ist ein Führungsinstrument und unterstützt Veränderung. Für die Protokollierung des Status quo ist die Methode ungeeignet und aufwändig.

Prozessmodelle als Außenperspektive

Wenn ein Prozessmodell einfach zu verstehen ist, macht es deutlich, welchen Beitrag jedes Team und jeder Einzelne zum Gesamtergebnis des Unternehmens leistet. Dieser Blick schafft die Voraussetzung für Motivation: Sinn. Eine solche Einsicht schafft ein Prozessmodell aber nur, wenn es gelingt, von der Komplexität der täglichen Routine auf ein klares Modell zu abstrahieren. Abstraktion bedeutet, dass Information verloren geht. Es wird also immer so sein, dass das glasklare Modell mit der harten Realität nicht übereinstimmt – und das ist auch gut so.

Das Prozessmodell zeigt, was wir „eigentlich“ tun müssten, um zum Beispiel von Anforderung eines Anschlusses bis zum fertigen Hausanschluss zu kommen. Es macht deutlich, welche Ereignisse in der Umwelt einen Prozess auslösen, welche verschiedenen Endzustände möglich sind, welche Entscheidungen auf dem Weg fallen und wo Einflüsse von außen (Genehmigungen, Fristen etc.) auf den Prozess wirken. Nebenbei zeigt es auch die Aktivitäten im Prozess.

Unterstützung für Führungskräfte

Wenn die „tatsächliche“ Routine von diesem logischen Prozess abweicht, stellt das die reale Praxis immer wieder in Frage. Der Prozess zeigt, was die Außenwelt von uns erwartet – nicht was wir für richtig halten. Ein klar gegliederter Prozess macht deutlich, was möglich wäre – aber im Moment nicht realisiert (oder nicht realisierbar) ist. Aus dieser Spannung wächst Veränderungsdruck.

Dazu sind Prozessmodelle gut: Überblick schaffen über komplexe Detailbeschreibungen und Anweisungen, Sinn geben und den Beitrag zum Ganzen immer vor Augen führen und ständig die Außenerwartung und die zukünftige Verbesserung der Arbeit in die Kommunikation bringen. Diese Aufgaben sind zentrale Führungsfunktionen im Unternehmen. Mit dieser Blickrichtung gelingt es auch, Führungskräfte für das BPM-Projekt zu gewinnen und Fahrt aufzunehmen.

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