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Raus aus den sinnentleerten Routinen

 

Wie viele sinnentleerte Routinen müssen Sie Tag für Tag durchmachen? Sicher gibt es überall die berüchtigten Auswertungen: mit viel Arbeit erstellt, aber von niemandem gelesen. Ärgerlich, sowas! Aber viel schlimmer ist es, wenn sinnlose Routinen wie heilige Kühe gepflegt werden. Die jährlichen Mitarbeitergespräche sind häufig solche Erfahrungen: Alle wissen, dass sich nichts ändert, aber jeder muss dadurch. Chefs und Mitarbeiter spielen Theater und tun so, als würde ernsthaft miteinander gesprochen – in Wirklichkeit stehen dieselben Punkte im Protokoll, die schon seit Jahren drinstehen.

Das ist nicht nur ärgerlich, sondern gefährlich. Denn pflichtbeflissen „runtergespulte“ Übungen stumpfen die Menschen ab. Sie gewöhnen sich an den Spagat, Vorgaben auszuführen, obwohl sie keinen Sinn mehr darin sehen. Sie gewöhnen sich daran, gegenseitig Theater zu spielen. Und keiner wagt es, den nackten Kaiser zu benennen.

Verlust an Glaubwürdigkeit

In der Personalführung bedeuten hohle Prozesse den Verlust an Glaubwürdigkeit. Und diese Währung ist hart in Zeiten knapper Fachkräfte. Im Qualitäts- und Sicherheitsbereich sind dumpf abgespulte Routinen brandgefährlich für Leib und Leben der Mitarbeiter. Anzeichen für leerdrehende Routinen sollten uns also alarmieren.

Was kann man tun? Zuallererst: Unterbrechen Sie die laufenden Routinen. Nennen Sie hohl, was hohl ist. Einer muss auf den nackten Kaiser zeigen. Es wirkt befreiend, wenn Mitarbeiter und Führungskräfte zumindest von dem Druck des Theaterspielens befreit sind. Jemand hat erkannt, dass was schiefläuft und hat das Problem beim Namen genannt.

Sinnvolle Prozesse statt hohler Routinen

Und dann müssen Sie die hohl gewordenen Routinen neu aufsetzen. Die Alternative „weglassen“ steht häufig nicht zur Verfügung, weil Regulationen oder QM-Zertifikate feststehende Prozesse vorschreiben. Aber sobald das Dilemma benannt ist: „Wir sehen, dass das so aktuell keinen Sinn macht, aber wir können es auf die Schnelle nicht ändern,“ schaffen Sie Entlastung.

Um sinnvolle Prozesse zu schaffen, müssen wir die Nutzungserwartungen aller Beteiligen berücksichtigen. Die der (internen und externen) Kunden: sie fordern die Leistung an, nehmen den Output ab und meistens zahlen sie dafür. In digitalen Prozessen spielen Sie aber auch zwischendrin mit – geben Daten ein, wollen ihren Status sehen und Einfluss nehmen. Die der internen Prozessbeteiligten: Sie ärgern sich über Doppelarbeiten oder unverständliche Freigabeschleifen und vermissen Flexibilität. Die Führungskräfte haben Erwartungen an Prozessqualität und Ergebnisqualität und brauchen die Sicherheit, beides beobachten zu können. Und die externen Aufsichts- oder Auditierungsinstanzen: sie müssen sicherstellen, dass Prozesse nach Recht und Gesetz, nach Stand der Technik und in dokumentierter Qualität ablaufen.

Nutzererlebnis im Vordergrund

Alle Erwartungen wollen gewürdigt sein. Die Effizienz-Logik des Prozessmanagement bevorzugt die Erwartungen von Verantwortlichen und Auditoren. Sinn kommt so nur in die Sache, wenn alle anderen die Notwendigkeit „einsehen.“ Eine Einladung an Prozessmanager und Führungskräfte, es den Leuten nur besser „klarzumachen.“ Aber Sinn diffundiert nicht von oben nach unten.

Service-Design-Methoden wie Experience Maps sind geeignet, die Nutzer- und Kundenerlebnisse schon im Prozessdesign zu berücksichtigen. Verbunden mit einer dazu gehörenden empathischen Haltung können diese Methoden einen wichtigen Beitrag für sinnvolle Prozesse leisten.

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