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Veränderung geht nur mit Beteiligung. Das ist eigentlich eine Binsenweisheit, aber im Projektalltag für wichtige Veränderungsprojekte geht sie immer wieder verloren. Am Anfang eines Veränderungsprojekts gilt es, die Mitarbeitenden und ihre Führungspersonen zu mobilisieren, dass sie den Prozess mitgestalten und unterstützen. In diesem Beitrag zeige ich, wie Sie einen gelungenen Change-Workshop moderieren.

Der Ruf, „Betroffene zu Beteiligten“ zu machen, bedeutet nicht, dass Veränderungen nur im Konsens aller Menschen im Unternehmen möglich sind. Früher hörte man häufiger den Spruch, dass man doch nicht die „Frösche fragen könne, wenn man einen Sumpf trockenlegen will“. Nein, das brächte wirklich nichts. Aber ein Landschaftsarchitekt, der solchen Kahlschlag an der Biodiversität plant, setzt auch nicht auf eine langfristige Zusammenarbeit mit den Fröschen. Im Unternehmen sind wir aber mehr denn je auf die intrinsische Motivation aller Mitarbeitenden angewiesen. Da kommt die Metapher von den Fröschen nicht gut an.

Den Change Workshop moderieren

Aber wie können wir die Menschen bewegen, einen Veränderungsprozess mitzugestalten und mitzutragen? Besonders dann, wenn damit Besitzstände oder lieb gewonnene Routinen verloren gehen? Meine Lieblingsfrage, wenn ich einen Change-Workshop moderieren soll, ist „Was passiert, wenn nichts passiert?“ Ich stelle diese Frage und lasse die Moderationsteilnehmer untereinander diskutieren, was ihrer Meinung nach kommen würde, wenn sich im Unternehmen nichts änderte. Dabei ist es nicht wichtig, dass die Mitarbeitenden zum selben Ergebnis kommen wie die Projektleitung des Change-Vorhabens. Das Ergebnis ist zweitrangig. Es geht darum, DASS die Mitarbeitenden offen über einen möglichen Bedarf zur Anpassung sprechen.

Hinter dieser Intervention steht eine Erkenntnis der Systemtheorie, die wir uns hier zunutze machen: Lernen funktioniert nur, wenn eine zwingende Notwendigkeit zur Anpassung wahrgenommen ist. Das gilt gleichermaßen für Individuen wie für Organisationen. Dieser Grundsatz erklärt auch, warum Lernen in der Schule so schwierig erscheint. Viele Pädagogen versuchen dann, die wahrgenommene Notwendigkeit über einen künstlich geschaffenen Druck mit Noten herbeizuführen – selten mit nachhaltigem Erfolg. Im Unterschied zu Individuen können Organisationen aber nicht selbst „wahrnehmen“ im Sinne von Sehen, Hören, Schmecken, Riechen oder Fühlen. Organisationen haben keine Augen oder Ohren. „Wahrnehmen“ bedeutet hier, dass in einer Organisation über etwas kommuniziert wird. Dann nimmt eine Organisation wahr.

Anpassungsbedarf in der Organisation wahrnehmen

Und hier kommen wir zum Kern der Sache: Organisationen nehmen einen Anpassungsbedarf wahr, wenn darüber in der Organisation gesprochen wird. „In der Organisation“ heißt nicht „in der Vorstandssitzung“ oder „im Projektraum“. Viele Manager glauben, dass sie den Anpassungsbedarf doch schon so häufig diskutiert haben – und bemerken dabei nicht, dass sie nur in geschlossenen Zirkeln kommunizieren. Der Rest des Unternehmens kriegt nichts mit. „In der Organisation“ heißt aber auch nicht „im Aufzug,“ „in der Kantine“ oder „beim Feierabendbier.“ In der informellen Kommunikation wird vieles bewegt, was für das Unternehmen mal mehr und mal weniger von Belang ist – aber jeder weiß, dass das Schimpfen über „die da oben“ in kollegialer Runde nichts bewegen wird. Diese Kommunikation führt also nicht dazu, dass die Lernbereitschaft im Unternehmen steigt. Und ein letztes Missverständnis: „In der Organisation“ heißt auch nicht „in einer PowerPoint-Präsentation der Geschäftsführung“.

Wenn wir einen Change-Workshop moderieren, schaffen wir ein Kommunikationsformat, wo die „einfachen Leute“ im Unternehmen in einer professionellen Umgebung und mit ernsthaftem Engagement über die Geschicke des Unternehmens sprechen. Dabei sollen sie auch nicht von einem vorgegebenen „gewünschten“ Ergebnis beeinflusst werden. Natürlich hat sich bis dahin herumgesprochen, „dass da was im Busch ist.“ Die Leute wissen, dass Veränderungen im Raum stehen. Umso wichtiger ist die Botschaft: Zu Beginn dieses Prozesses steht Zuhören.

Mit drei zentralen Fragen mobilisieren

Ich mache gute Erfahrungen damit, in unterschiedlichen Kreisen des Unternehmens jeweils drei Fragen zu diskutieren: Zuerst frage ich: „Worauf sind wir stolz?“ Hier wollen wir die Punkte sammeln, die aus der Sicht der Teilnehmenden richtig gut laufen, die nicht verändert werden sollen. Hier hören wir auch die Geschichten von herausragenden gemeinsamen Erfolgen. Dieses gemeinsame Reden über die eigenen Stärken setzt mentale Ressourcen frei. Dann frage ich: „Was passiert, wenn nichts passiert?“ An dieser Stelle sehen wir, welche Anpassungsbedarfe die Teilnehmenden im Unternehmen erkennen. Und schließlich frage ich: „Woran erkennen wir, dass es besser wird?“ Mit dieser Frage erarbeiten wir die Vorstellungen von Fortschritt.

Diese drei Fragen diskutiere ich zuerst mit dem Führungsteam des Unternehmens, dann mit verschiedenen Gruppen von Führungspersonen und Mitarbeitenden. Als Daumenregel empfehle ich, 10 bis 15 Prozent der betroffenen Personen in Gruppen zu acht bis zwölf Leuten einzubinden. Eine Gruppe ist dabei immer wieder besonders wichtig: Der Kreis der „Ältesten“. Die Mitarbeitenden, die schon am längsten in der Organisation sind, werden hier besonders angesprochen. Das drückt wichtige Wertschätzung aus. Die Älteren können aber auch wichtiges kulturelles Wissen beitragen – sie kennen die alten Geschichten, die oft über Jahrzehnte weitergereicht werden. Und sie verfügen über einen erheblichen informellen Einfluss in der Organisation. Darum sollen sie auch als erstes mitbekommen, dass Veränderung hier über Zuhören gelingen soll.

Mehr zum Thema Change Workshop moderieren

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