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Wie profitieren Führungskräfte vom Feedback aus einer Persönlichkeitsbeschreibung? Frau B. führt ein Team von 15 Personen in der Kreditabteilung einer Sparkasse. Sie macht den Job schon seit sehr vielen Jahren und hat sich die Anerkennung als Expertin in ihrem Gebiet erarbeitet. Sie hat allerdings den Eindruck, dass sie ihr Team nicht erreicht. Nun zweifelt sie an ihrer Führungsrolle. Im Coachinggespräch fragte sie mich, ob sie wirklich geeignet sei, ein Team zu führen. Oder sollte sie vielleicht doch besser eine Expertenrolle im Team übernehmen, als das Team zu leiten? Ihre Grundsatzfrage an mich war: „Bin ich überhaupt eine Führungspersönlichkeit?“

Ich erzähle von diesem Fall aus meiner Coachingpraxis, weil er sehr gut zeigt, wo Persönlichkeitsbeschreibungen in der Führungskräfteentwicklung helfen können. Das Feedback zur eigenen Persönlichkeit öffnet den Zugang zu Ressourcen und ermöglicht passende Lösungsstrategien. Hier mit einem durchaus überraschenden Ergebnis für Frau B.!

Die Teamleitung im Coaching

Frau B. erwartet mehr Sorgfalt in der Fallbearbeitung und sieht als Expertin deutliche Lücken im Fachwissen ihrer Mitarbeiter. Die Leute im Team melden allerdings an die über Frau B. stehende Abteilungsleitung zurück, dass sie B. als übergriffig wahrnehmen. Das bestätigt auch der Eindruck, den ihr Chef von ihr hat: viel Mikromanagement, viel Kontrolle, aber wenig Führung. Wer hat nun recht? Und vor allem – was sollte geändert werden?

Selbstbild, Fremdbild und Erwartungen

Für das Coaching holen wir uns dazu Rückmeldung aus ihrer Persönlichkeitsbeschreibung. Sie selbst und ihr Vorgesetzter beschreiben jeweils ihre Sicht auf die Rolle der Teamleitung: Welche überfachlichen Qualitäten sollte jemand mitbringen, der diesen Job gut ausfüllt? Und beide beschreiben, wie sie Frau B. als Person sehen. Sie bekommt aus diesen Fragebögen also eine Rückmeldung über ihr Selbstbild, das Fremdbild ihres Chefs und ein Bild über die Anforderungen und Erwartungen an ihre Stelle.

In der Persönlichkeitsbeschreibung eigene Stärken erkennen

Die Rückmeldung zeigte ihr, dass sie sich selbst eine hohe Leistungsmotivation bescheinigt. Wenn sie die Erwartungen aus ihrer Sicht an die Stelle beschreibt, sieht sie die dafür notwendige Leistungsmotivation sogar noch höher. Ihr Abteilungsleiter dagegen bewertet die Leistungsmotivation sowohl in der Fremdbeschreibung als auch in der Erwartung an die Stelle im gesunden Mittel. Mit Blick auf diese Rückmeldungen begann Frau B. zu verstehen, warum sie manchmal das Gefühl hat, sich für die Arbeit über Gebühr aufzureiben. Sie will noch mehr Leistung bringen, hat immer das Gefühl, dass man noch mehr von ihr erwartet – dabei reichte das Vorhandene aus Sicht ihres Vorgesetzten gut aus.

In puncto Gewissenhaftigkeit sind sich die beiden einig: Beide fordern eine hohe Genauigkeit in dem Job und beide sehen genau da eine deutliche Stärke bei ihr. Anders in der Beschreibung der sozialen Kompetenz: Sie selbst schätzt sich in Sachen Sensitivität und Kontaktfähigkeit eher gering ein, ihr Chef sieht da bei ihr deutlich mehr Stärken. In seiner Wahrnehmung hat sie also Kompetenzen, die sie noch besser ausspielen kann. Vor allem diese Sicht hat B. sehr überrascht.

Führungssituationen beleuchten

Im Coaching setzen wir an diesem Punkt an: Was muss man tun, um von außen als sensitiv und kontaktstark wahrgenommen, obwohl man sich selbst nicht so sieht? Wir spielen vergangene Führungssituationen durch und sie stellt fest, dass sie tatsächlich gar nicht so unsensibel vorgeht, wie sie selbst meint. Vielleicht sollte sie sich mehr trauen, Dinge direkt anzusprechen.

Fehler als Chance zur Führung nutzen

Anlass dafür bieten immer wieder Fehler bei der Bearbeitung von Kreditfällen. Wir nehmen uns das Thema vor und üben Formate ein, wie sie Mitarbeiter im Gespräch anleitet, aus aufgetretenen Fehlern tatsächlich zu lernen, statt sie nur für die Zukunft zu vermeiden. Damit stärkt sie auch die fachliche Qualifikation der Mitarbeiter und kommt selbst aus der Rolle der Kontrolleurin heraus.

Frau B. ging gestärkt aus dem Coachingprozess heraus und bekam in den nächsten Wochen positive Rückmeldungen von ihrem Team und ihrem Vorgesetzten.

Wie man das Feedback „Persönlichkeitsbeschreibung“ richtig einsetzt

Feedback zur Persönlichkeit hilft Führungskräften in ihrer Weiterentwicklung. Aber dabei hilft kein festes Raster, wo man aufzeigt, welche Eigenschaften eine gute Führungskraft braucht. Wenn man das Profil aus der Persönlichkeitsbeschreibung wie eine Checkliste abarbeitet, dann übersieht man die eigentlichen Einsichten. Stures Abhaken von Kriterien demotiviert nur.

Ich nutze die Rückmeldung lieber, um Zugang zur individuellen Motivation zu bekommen und mit meinen Klienten einen für sie passenden Weg zu finden, mit ihrer Führungsrolle umzugehen. (Lesen Sie hier mehr über mein Coachingangebot für Führungskräfte)

Als Instrument nutze ich das „Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung“ (BIP) von der Ruhr-Universität Bochum: Damit habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht, auch die Führungskräfte wie Frau B. profitieren davon. Und nicht nur B. selbst, auch ihr Team ist motivierter und zufriedener.

Das BIP und was es von anderen Persönlichkeits-/Typen-Test unterscheidet, stelle ich Ihnen in einem der nächsten Blogbeiträge vor

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