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Welche Rechte und Pflichten hat eigentlich ein Prozessverantwortlicher in einem Unternehmen, wenn er selbst keine Führungsposition hat? Viele Unternehmen benennen so genannte Process Owner, wenn sie ihre wichtigen Prozesse identifizieren. In Beratungsprojekten bemerke ich häufiger, dass sich die Menschen um diesen Posten nicht gerade reißen. Klingt nach viel Arbeit und viel Verantwortung aber wenig Macht.

Wie viel Sinn macht es überhaupt, Personen ohne hierarchische Macht mit der Verantwortung für einen Prozess zu beauftragen?

Meiner Meinung nach sehr viel: Ein Process Owner hat die Aufgabe, den Prozess von innen heraus zu kennen. Er soll möglichst gut vernetzt und anerkannt sein in allen am Prozess beteiligten Teams. Nur so kann er mitbekommen, wie der Prozess wirklich läuft. Ein Prozessverantwortlicher kontrolliert nicht „von oben“ sondern spricht die Dinge kollegial an.

Führen jenseits der Hierarchie

Prozessverantwortung ist ein gutes Beispiel dafür, was Führung im Unternehmen wirklich bedeutet: Jemand führt, wenn er von der täglichen Routine aufschaut und sie mit einer Zielvorstellung vergleicht. Die Abweichung zwischen Soll und Ist in die Kommunikation zu bringen ist die Aufgabe von Führung. Und diese Aufgabe ist keineswegs an Macht im Unternehmen gebunden. Ganz im Gegenteil: Wenn Fachleute diese Funktion von innen heraus ausüben, gewinnen sie den richtigen Einfluss im Unternehmen.

Den Prozess als Ganzes kennen

Welche Aufgaben hat so ein Prozessverantwortlicher nun konkret? Zunächst ist er derjenige, der den Prozess von A bis Z kennt – alle Aufgaben und ihre Verantwortlichen. Er kennt alle Meilensteine, Formulare und Dokumente und weiß um die Baustellen und Herausforderungen im Prozess. Wenn es also einen gibt, der im Prozess, Bescheid weiß, dann der Prozessverantwortliche. Das ist häufig schon ein echter Fortschritt – denn häufig kennen alle nur einen Teil des Ganzen und keiner hat den Überblick.

Dann ist es seine Aufgabe, den Prozess zu beobachten. Er sollte ständig wissen, welche Last der Prozess gerade trägt und er sollte Bescheid wissen, wenn kurzfristig eine höhere Last zu erwarten ist. Wenn Organisationen früher von Ressourcenengpässen überrascht wurden, soll zukünftig jemand die „Auftragssituation“ für den Prozess kennen. Es ist seine Aufgabe, möglichst frühzeitig auf erwartete Ressourcenengpässe hinzuweisen, damit man rechtzeitig gegensteuern kann.

Auf Augenhöhe mit den Führungskräften

Der Prozessverantwortliche wird informiert, wenn irgendwo im Prozess Probleme auftauchen. Er weiß, wen er kurzfristig an einen Tisch holen muss, um Abhilfe zu organisieren. Er kommuniziert mit allen Prozessbeteiligten und mit ihren Vorgesetzten auf Augenhöhe, wenn es gilt, Konflikte auszudiskutieren.

Der Prozessverantwortliche braucht dazu Rückhalt von zwei Seiten: Zum einen von der eigenen Führungskraft, ihn in dieser Aufgabe zu unterstützen und ihm gegebenenfalls den Rücken zu stärken. Zum anderen braucht es einen gemeinsamen Support für alle Process Owner, wenn es darum geht, den Prozessgedanken auch mal gegen die eingesessenen Abteilungsinteressen zu behaupten. So ein zentraler Prozessmanager sollte schon eine Führungskraft mit Gewicht im Unternehmen sein – damit zeigt das Unternehmen, wie wichtig die Arbeit der Process Owner ist.

Wichtiger Beitrag für Fachkarrieren

Prozessverantwortung ist damit ein wichtiger Beitrag, die Position von Fachexperten im Unternehmen zu steigern und Fachkarrieren attraktiv zu machen. Sie ist ein Weg, das Führen über Einfluss gegenüber dem Führen über Macht zu stärken.

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